Buchvorstellung: „Das Phänomen Bernhard Langer: Alt werden nur die anderen“
Im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) wird das neue Buch des Sportjournalisten Reinhold Schnupp über Bernhard Langer unter der literarischen Gattung „Romanhafte Biographie“ geführt. Dass diese Kategorisierung missverständlich sein kann, zeigt ein Blick in das 147 Seiten starke Werk: Biographie? Ja, weitgehend. Romanhaft? Eher nein.
Die von Schnupp im Jahr 2022 veröffentlichte Publikation ist eine Art Rückschau auf fast 40 Jahre ‚an der Seite‘ des größten deutschen Golfprofis. Dabei verwendet der Autor im Titel des Buches ein Substantiv, das das Zeug hätte, als Synonym für den gebürtigen Anhausener zu stehen: „Phänomen“ taucht bei einer nichtrepräsentativen Abfrage in einer bekannten Internetsuchmaschine geradezu inflationär zusammen mit dem Namen Langer auf. Warum ist das so? Schnupp liefert hierzu eine Reihe von Antworten.
Anlass für das Buch ist der 65. Geburtstag Langers, den dieser am 27. August 2022 feierte. Passend dazu der Untertitel des Buches: „Alt werden nur die anderen“. Dieser Satz zieht sich wie ein roter Faden durch die Kapitel und wird von unterschiedlichen Seiten beleuchtet. Im Klappentext heißt es dazu: „(Schnupp) liefert mit diesem Episodenbuch einen Blick hinter die Fassade Bernhard Langers und bringt uns dem Geheimnis des deutschen Golf Superstars ein Stück näher“.
Was macht Langer zum vielzitierten „Phänomen“?
In dieser Beschreibung findet sich auch schon eine Einschränkung, die die literarische Einordnung der DNB relativiert: Schnupp liegt nicht daran, eine chronologische „Biographie“ zu schreiben, im Gegensatz zu Langer selbst, der in der Vergangenheit bereits zweimal als (Co-)Autor einer solchen auftrat, zuletzt 2002. Schnupp will vielmehr in „Episoden“, schlaglichtartig die einzigartige Karriere des bayrischen Schwaben Revue passieren lassen. So erfahren die Leser*innen beispielsweise erst ab Seite 60 Informatives zu Langers Elternhaus, seinen Geschwistern, seiner Jugend und den ersten Begegnungen mit dem weißen Golfball als Caddie und später als Golflehrer-Azubi in München. Dass dieses Leben das Zeug für einen Roman hätte, Langer bezeichnete seinen Werdegang selbst einmal als „Tellerwäscherkarriere“, ist unzweifelhaft. Allerdings würde „erzählende Prosa“ nicht zur Person des Ausnahmegolfers passen.
Die Jugend Langers erzählt Schnupp eher beiläufig, auch die Anfänge und Erfolge des jungen Deutschen auf der europäischen Tour, werden summarisch beschrieben. Wir erfahren z.B., dass der frisch gebackene Pro, in einem klapprigen Ford Escort und mit kaum Geld in der Tasche allein zu seinen ersten Turnieren fuhr und in seinem fahrbaren Untersatz schlief. Dabei fielen ihm die ersten Schritte auf der europäischen Tour offenbar leicht, da nach Aussage Schnupps, in den 70er und 80er Jahren die Qualität der Plätze, vor allem die der Grüns, in den USA deutlich besser war als in Europa und sich Langer mit dem schnellen Belag in Übersee beim Putten schwertat.
Übernachtungen im klapprigen Ford Escort
Tatsächlich kann der deutsche Spitzengolfer auf der PGA-Tour lediglich drei Turniererfolge aufweisen. Darunter befinden sich allerdings seine beiden Siege beim US Masters in Augusta 1985 und 1993, die ihn in den Kreis der besten Golfer der Welt hoben. Aber auch Kurioses kommt zur Sprache, wie z.B. der Chippball aus dem Jahr 1982 bei einem Turnier im englischen Fulford, als Langer einen Ball aus zwei Metern Höhe aus einem Baum heraus aufs Grün spielte.
Davon abgesehen erfahren die Leser*innen auch von dunklen Stunden in der Karriere des Anhauseners. Bereits in den 80er Jahren erkrankte Langer am sog „Yips“. Laut Wikipedia versteht man darunter „vor allem bei Golfern auftretende plötzliche unwillkürliche, ruckartige Muskelzuckungen, die insbesondere beim Putten auftreten.“ Langer hatte deswegen mehrfach in Turnieren Probleme, die Bälle zu lochen. Aber der Deutsche gab nicht auf und entwickelte eine neue Griffhaltung, bei der die Handgelenke weniger zum Einsatz kamen. Diese Herangehensweise, sich Problemen offensiv zu stellen und Lösungen zu finden, wird als eine der herausragenden Charaktereigenschaften Langers dargestellt.
Eine weitere ist seine eiserne Disziplin und damit kommen wir zu dem Hauptthema des Buches: Die einzigartigen Erfolge des deutschen Golfstars auf der PGA Tour Champions. Auf dieser Turnierserie für über 50jährige Golfprofessionals dominiert Langer seit 15 Jahren das Geschehen. Schnupp nimmt die Leser*innen mit auf den Erfolgsweg des Deutschen. Mit 45 Turniersiegen hat er mittlerweile die Bestmarke von Hale Irwin eingestellt. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis er zum alleinigen Rekordhalter wird. Insgesamt sechsmal hat er die Gesamtwertung, den Charles Schwab Cup, gewonnen.
Diszipliniert und lösungsorientiert gegen den Yips vorgegangen
Reinhold Schnupp veranschaulicht, worin die Gründe für diese Erfolgstory liegen. Für ihn ist es vor allem der Ehrgeiz Langers, der ihn auch in hohem Sportleralter immer noch zu Siegen antreibt. Vor allem aber seine körperliche Fitness, Schnupp nennt ihn an einer Stelle des Buches den vielleicht „fitteste(n) Deutsche(n) seines Alters“, hat ihn zu all den Erfolgen geführt, die er in seiner langen Karriere erreicht hat. Lange vor der „Fitness-Revolution“ eines Tiger Woods hat Langer begonnen, regelmäßig im Fitnessstudio seine Kondition zu stärken und Ausgleichsübungen zu trainieren, um der einseitigen Belastungen des Golfsports entgegenzuwirken. Schnupp wird in seinem Buch nicht müde, über diese besonderen Leistung Langers im fortgeschrittenen Alter zu berichten. Leider führt diese Wertschätzung des Autors zu einer Reihe von Wiederholungen, die, neben anderen Redundanzen, den Lesefluss an mancher Stelle stören.
Zu den wichtigsten Faktoren, die den Sportler Bernhard Langer ausmachen, gehört schließlich auch sein tiefer Glaube an Gott. 1986 tritt er aus der katholischen Kirche aus und schließt sich einer christlichen Glaubensgemeinschaft an, die den Text der Bibel quasi als „Gebrauchsanweisung fürs Leben“ eng auslegt. Ausdruck dieser Verwurzelung im Glauben ist ein im Buch abgedruckter Text, der 1998 in der „Welt am Sonntag“ erschien, und in dem Langer Stationen seiner Karriere Revue passieren lässt und seine lebensbestimmende Orientierung an den christlichen Werten begründet.
Reinhold Schnupp beschreibt Langer in seinem Nachwort als einen freundlichen Menschen mit einer nach außen „robusten Schale, die es seinen Beobachtern und Begleitern nicht leicht macht, ihn tatsächlich kennenzulernen“. Auch jegliche Form von Kumpanei ist Langer fremd. Aber seine Zuverlässigkeit, Professionalität und Verbindlichkeit hat für Schnupp das Arbeiten mit ihm überwiegend angenehm gemacht, was man beim Lesen dieses interessanten, informativen und kurzweiligen Buches auch merkt.
Titelbild: Köllen Verlag
Das Phänomen Bernhard Langer: Alt werden nur die anderen, Köllen Druck + Verlag GmbH, Bonn 2022.
Weitere Texte von Frank Biller lest ihr auch auf seinem persönlichen Blog http://www.derfreizeitgolfer.de/