Der normalgebliebene Golfprofi: Joel Dahmen in Episode 4 von „Full Swing“

Golfspieler Joel Dahmen klopft seinem Caddie auf die Schulter

Nach charismatischen beziehungsweise extrovertierten Figuren wie Koepka, Poulter oder Spieth rückt in Folge 4 mal ein ganz anderer Typ Golfer in den Fokus. Joel Dahmen wirkt im Vergleich zu den Paradiesvögeln wahlweise schüchtern, bieder oder einfach normal.

Wir gehören zu den Zuschauern, die die auf dem Boden gebliebene Attitüde von Dahmen als extrem wohltuend empfinden. Dem Mann merkt man an, dass er vor einem Turnier mit den besten Golfern dieses Planeten schlicht und einfach auch nervös ist. Und dass eine Pressekonferenz an einem Pult, auf dem sich ein Dutzend Mikrofone dem Sprecher entgegenrecken eben keine alltägliche Routine für ihn ist.

Für eine bislang eher auf knallige Bilder ausgerichtete Netflix-Serie eignet sich Dahmer daher vermeintlich nicht so ganz als Protagonist einer Episode. Doch hier beweist die Serie ein erstaunliches Feingefühl im Umgang mit einer eher zurückhaltenden Persönlichkeit.

Während Dahmen und seine Ehefrau Lona begleitet werden, muss natürlich auch die Krebserkrankung auch thematisiert werden, die ihn vor einigen Jahren heimsuchte. Man merkt: Ein verpasster Cut ist für diesen Mann nicht mehr so markerschütternd wie für so manchen Golfer, mit dem es das Leben bis dahin fast ausschließlich gut gemeint hat. Bis heute trägt Dahmen bei Golfturnieren oftmals seinen charakteristischen Fischerhut mit dem durchgestrichenen Wort „Cancer“ darauf.

Dass er heute gesund ist und zum Drehzeitpunkt Nachwuchs erwartete ist für das Ehepaar Dahmen ein nicht selbstverständliches Glück. Das merkt man den Szenen, in denen etwa ein Kinderwagen angeschafft wird, eindeutig an.

Doch Joel ist auch ein sehr guter Golfer, über den es manchmal heißt, er könnte zu den besten gehören, wenn er sich mehr zutrauen würde. An dieser Rolle zweifelt und grübelt er auch immer wieder mal. Durch seinen unaufgeregten Duktus wirkt es auf den Zuschauer absolut authentisch, wenn Dahmer mit sich und seiner Leistung hadert.

„Wenigstens kein Geld verloren“

Mit seiner Frau und seinem Caddy gibt er ein absolut sympathisches und harmonisches Bild ab. Nach seinem zehnten Platz bei der US Open sagt er zu den beiden: „Wenigstens kein Geld verloren“. Wieder geht einem der Gedanke durch den Kopf, ob das Bild der viel zu hoch bezahlten, dekadenten Golfprofis nicht doch häufig nur ein Klischee ist. Beachtet man die Kostenseite, die Herausforderungen vor denen der eine oder andere im Privatleben steht sowie das Risiko, bei einem verpassten Cut leer auszugehen, so kann sich auch eine andere Perspektive ergeben.

Eine andere, frische Perspektive auf das gesamte Golf-Business eröffnet in jedem Fall die Möglichkeit, Joel Dahmen einmal besser kennen zu lernen. Dafür sind wir den Machern von „Full Swing“ jetzt schon dankbar.

8/10

Foto: Getty Images

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