„Druck kann ich mir nur selbst machen“ – Exklusivinterview mit Golf-Shootingstar Chiara Noja
Du bist auf Weltstars wie die Korda-Schwestern oder eben dein Kindheits-Idol Charley Hull getroffen. Wie ist es, als Teenagerin mit solch abgezockten Profis auf Tour zu sein?
Es ist schwer – da müssen wir gar nicht drum herumreden. Viele Spielerinnen sind sehr lieb, aber für eine 16-Jährige ist es nun einmal schwierig, sich mit einer gestandenen Frau anzufreunden. Allerdings ist das auch nicht unbedingt, was ich auf der Tour will. Ich habe mein Team um mich herum und komme dorthin, um zu gewinnen. Meine Freundinnen habe ich zuhause und ich freue mich jedes Mal darauf, sie wiederzusehen, wenn ich zurückkomme. Deshalb denke ich nicht groß darüber nach, ob ich nach der Runde „Dinner with the girlies“ machen kann.
Wie lässt sich das Leben einer Golf-Proette mit einem normalen Schulabschluss vereinbaren?
Bis jetzt gut. Ich besuche hier in Dubai eine englische Schule mit vielen internationalen Schülern. Sie verfügt über ein eigenes Golf-Programm und ich darf die Schule dreimal pro Woche um 12 Uhr verlassen. So hatte und habe ich genug Zeit, neben Schule und Training auch einfach Teenager zu sein, was meinen Eltern immer wichtig war. Viele junge Golfer verlieren ja die Liebe für den Sport, weil sich einfach alles wie ein großes Opfer anfühlt und das ist bei mir nicht der Fall.
In diesem Jahr stehen die GCSEs (die englische Version der Mittleren Reife – Anm. d. Red.) an. Ich liebe es, in die Schule zu gehen, denn das ist eine tolle Abwechslung. Hier bin ich mit gleichaltrigen zusammen, hier bin ich nicht die Golferin sondern einfach ein normales Kind.
Wenn du mal eine richtig schwierige Woche hast und dann zurückkommst – das sind die Momente, an denen man wächst.
Als du sieben Jahre alt warst, sind deine Eltern mit dir von Berlin nach England gezogen, vor knapp zwei Jahren folgte dann der Umzug nach Dubai. Wurden beide Wohnortwechsel zugunsten deiner Golf-Karriere gemacht?
Der Umzug nach England nicht, denn mit sieben Jahren war das Talent natürlich noch längst nicht so zu erkennen, als dass man deswegen in ein anderes Land auswandern würde. Tatsächlich hatte ich in England eine sehr harte Zeit, was die Vereinbarkeit von Schule und Golf anging. Die Schule ging bis etwa 16:30 Uhr, doch es war schon gegen 16 Uhr dunkel. Die einzige Trainingsmöglichkeit lautete somit: Driving Range. Und wenn es dann noch kalt war – eine Katastrophe. Es fiel mir deshalb immer sehr schwer, vom Winter in die Saison zu starten und mein Leistungs-Optimum habe ich im August erreicht, nachdem ich über ein paar Monate hinweg vernünftig trainieren konnte. Seitdem ich in Dubai lebe, hat sich das geändert. Hier kann ich das ganze Jahr über bei perfekten Temperaturen und unter besten Konditionen trainieren. Was Besseres hätte mir nicht passieren können.
Trotz deines jungen Alters bist du schon sehr viel herumgekommen. Fühlst du dich als Weltbürgerin? Oder welche Beziehung hast du noch zu deinem Geburtsland?
Ich bin deutsch (lacht)! Während der Zeit in England habe ich mich sehr englisch gefühlt. Aber insbesondere durch dieses internationale Umfeld, das ich hier in Dubai vorfinde, merke ich, dass ich meine deutschen Wurzeln wiederfinde. Ich habe eine neue beste Freundin, die frisch aus Deutschland hierhergezogen ist und muss wieder mehr Deutsch sprechen. Und natürlich besuche ich sehr oft meine Familie in Deutschland.
Gab es irgendwann den einen Zeitpunkt, an dem du mit deiner Familie entschieden hast, dass ihr die Sache durchzieht und du Golf-Proette wirst?
Die Dinge haben sich einfach so entwickelt, würde ich sagen. Meine Eltern sind leidenschaftliche Golfer aber haben niemals geplant, aus mir eine Proette zu machen. Ich habe ihnen schon in frühester Kindheit gerne zugeguckt und Zeit auf dem Golfplatz verbracht. Nach dem Umzug nach England habe ich auch zuerst ein bisschen zum Spaß gespielt und mit acht Jahren erst angefangen, etwas ernsthafter zu trainieren und Amateur-Turniere zu spielen. Mein Vater hat an mich geglaubt und mit neun Jahren war ich schon bei einem Single Handicap und dann ging es relativ schnell.
Beim Umzug nach Dubai hatte ich irgendwo in meinem Kopf natürlich schon den Traum, einmal Profigolferin zu werden, aber ich habe nicht erwartet, schon ein paar Wochen später auf der Ladies European Tour zu spielen. Es hat sich dann ja so ergeben, dass Amateur-Golf wegen Corona 2020 komplett ruhen musste. In dieser Zeit hatte ich das Glück, dass die LET Access mir einige Invites gegeben hat und ich die Turniere mitspielen konnte. Plötzlich habe ich mit 14 Jahren nur knapp meinen ersten Profisieg in Belgien verpasst. Dies war eine sehr intensive Zeit, in der ich viel gelernt habe. Im Herbst 2021 kamen dann nochmal drei Sponsor-Invites. Hier erinnere ich mich, dass ich zu meinen Eltern gesagt habe: „Ich werde diese Turniere als Profi spielen“. Denn schließlich handelte es sich um einige der wichtigsten Events auf der Ladies European Tour – abgesehen von den Majors. Ab diesem Punkt wollte ich nicht wieder zurück ins Amateur-Golf, denn das hätte sich wie ein Rückschritt angefühlt. Es war einfach eine solch inspirierende Erfahrung – die Bedingungen, die Atmosphäre, das Adrenalin. Das wollte ich nicht mehr missen.
Eine Karriere als Golf-Proette besteht nie aus einer einzigen Person. Wie sieht das Team um dich herum aus?
Du hast recht, es ist Teamwork. Man kann sich das vorstellen, als hätte man ein Unternehmen, nur dass ich selbst mein Produkt bin, in das ich investieren muss. Das bedeutet, ich muss sehr auf meinen Körper achten. Ob Ernährung, Gesundheit oder Belastungssteuerung – jedes Detail zählt. Unter anderem habe ich einen Putting-Coach, einen Short Game Coach, einen Gym-Coach, einen Physio, einen Manager, natürlich meinen Caddie… und ich habe meinen Papa, der nicht nur mein Swing Coach ist, sondern mit mir auch auf Tour unterwegs ist und alles um mich herum organisiert. Um Interview-Termine wie diesen muss ich mich beispielsweise selten kümmern, denn das klärt er alles für mich. Auch meine Mama kommt von der Arbeit und stürzt sich sofort mit rein in das Golf-Chaos. Aber wir alle haben viel Spaß dabei und das ist das Wichtigste.
Die Bedingungen, die Atmosphäre, das Adrenalin im Profi-Golf – das wollte ich nicht mehr missen.
Lass uns abschließend einen Ausblick in die Zukunft wagen. Was sind jetzt deine kurzfristigen Ziele?
In manchen Interviews werde ich gefragt: „Du hast ja nun ein Turnier gewonnen – willst du das nächste auch gewinnen?“. Dann antworte ich, dass ich noch nie in ein Turnier gegangen bin, das ich nicht gewinnen wollte. Ich behandle jeden neuen Tag, jeden weiteren Schlag, als wäre es das allerwichtigste, was es gibt. Im Golf, wie auch sonst im Leben gilt: Dein Sieg von heute bedeutet morgen gar nichts mehr. Deshalb will ich dranbleiben. 2025 will ich Abitur machen und ich freue mich schon auf die Zeit danach, wenn ich einfach ein freies Wesen sein kann.
Und was wirst du ganz konkret im Training als Nächstes fokussieren?
Ich war absolut dagegen aber mein Gym Coach und mein Papa haben beide gesagt, ich soll die nächsten zwei bis drei Wochen mal freinehmen und gar keinen Golfschläger anfassen. Sie haben irgendwo auch recht, denn ich war fünf Monate lang unterwegs. Ob es wirklich so kommen wird oder ob ich mich doch durchsetzen werde, wird man sehen.
Fotos: Ladies European Tour