Golf im Film #4: Goldene Zeiten
Sehenswerte Golffilme werden nicht nur in Hollywood gedreht. Peter Thorwarths „Goldene Zeiten“ aus dem Jahr 2006 ist ein echter Geheimtipp. Neben einer hohen Dichte an deutscher TV- und Kinoprominenz bietet der Streifen sogar einen Star aus dem „A-Team“ auf.
„Bang Boom Bang“ von 1999 ist durch zahlreiche Bonmots zum populärkulturellen Phänomen geworden. „Was nicht passt, wird passend gemacht“, ergatterte immer noch den einen oder anderen Slot im Familienprogramm des Privatfernsehens. Der dritte Teil von Thorwarths sogenannter Unna-Trilogie „Goldene Zeiten“ konnte nicht mehr an diese Erfolge anschließen. An den Kinokassen fiel der Film durch und von einem Großteil des Zielpublikums wurde er nicht einmal wahrgenommen.
Dabei bietet die Gesellschaftssatire um ein halbseidenes Charity-Golfturnier eine ganze Menge. Neben dem Hauptdarsteller Wotan Wolke Möhring, hier noch vor seinem ganz großen Durchbruch, wartet „Goldene Zeiten“ vor allem mit einer Menge Reminiszenzen an „Bang Boom Bang“ auf. So spielt Telenovela-Star Alexandra Neldel nochmals Melanie, die heimliche Gewinnerin der 99er Gangsterkomödie. Auch Christian Kahrmann kehrt als Mark Kampmann zurück – „Fanservice“ nennen das die Cineasten heutzutage.
Star einer 80er-Actionserie: Dirc Benedict spielt sich selbst
Natürlich darf der unvermeidliche Ralf Richter auch nicht fehlen. Wurde er 1999 noch als Bankräuber Kalle Grabowski zur Strecke gebracht, mimt er anno 2006 einfach dessen Bruder, den Zuhälter Harry Grabowski. Die Persönlichkeit ist selbstredend die gleiche. Fun Fact: Im Bonusmaterial des DVD-Sets erzählt Richter von einer Meinungsverschiedenheit mit dem Regisseur. Offenbar hätte sich der Mime gern bei dem Machwerk vom Image des ewigen Ruhrpott-Prolls losgesagt, doch Thorwarth sah dies anders.
In welcher Rolle sich der Mann mit der Reibeisenstimme wohl gesehen hätte? Die Position des scheinheiligen Golfclub-Präsidenten Jürgen Matthies wurde von Wolf Roth überragend besetzt. Matthies, der seine von plastischer Chirurgie gezeichnete Ehefrau mit einer Mittzwanzigerin betrügt, richtet ein Golfturnier aus, dessen Einnahmen vermeintlich an „die Waisenkinder in Rumänien“ gehen sollen. Partyplaner Ingo (Möhring) soll ihm dafür prominente Teilnehmer nach Unna holen und kommt gleich mit einem ganz dicken Fisch: Douglas Burnett, den Star der fiktiven 80er-Jahre-Actionserie „John Striker“.
Für die Besetzung des abgehalfterten Ex-Serienstars hat Peter Thorwarth genialerweise ein reales Vorbild gewonnen: Niemand geringeres als Dirk Benedict spielt Burnett. Fans des „A-Team“ jubeln an dieser Stelle, denn bei Benedict handelt es sich tatsächlich um den Darsteller von Templeton „Face“ Peck aus jener Kultserie. Bis hierhin noch alles verstanden? Das könnte sich gleich ändern.
Scheinheiliger golfender Finanzadel bekommt sein Fett weg
Eins vorweg: Als Freund des Golfsports muss man den Film mit einer gehörigen Portion (Selbst-)Ironie schauen. Kaum ein Klischee wird ausgelassen. So steht Melanie nach gescheiterter Gesangskarriere direkt mit verheultem Lidschatten vor der Tür ihrer besten Freundin. Eventmanager Charly (Uwe Fellensiek) feiert seine Orgien selbstredend auf einer Yacht in Monaco. Doch das dominanteste, immer wieder bemühte Klischee ist das der scheinheiligen, versnobbten Golferszene. Clubpräsident Matthies beispielsweise wirtschaftet das Geld natürlich lieber in die eigene Tasche.
Bald stellt sich jedoch die Frage, „wer verarscht hier wen“, denn der von Ingo vermeintlich gebuchte Burnett ist in Wahrheit ein Double. Provinzschauspieler Horst Müller sieht dem US-Star lediglich täuschend ähnlich und hat sich für den Schwindel einspannen lassen. Im Originalkommentar auf der DVD räumt Thorwarth interessanterweise ein, dass dies vielleicht eine Dimension zu viel für diesen Film gewesen sei, denn zum einen kommt der Zuschauer bei dem Verwirrspiel bald nicht mehr mit und zum anderen wirkt Benedicts deutsche Synchronisation inmitten der nicht synchronisierten deutschen Schauspieler wie ein Fremdkörper.
Die Klischee-Maschine läuft auf Hochtouren
Horst Müller jedenfalls – wieder läuft die Klischee-Maschine auf Hochtouren – hat statt des vollen Haupthaars seines US-Vorbildes eine Perücke und dazu ein Alkoholproblem und eine gehörige Profilneurose. Immer wieder betont er gegenüber Ingo, den „Charakter genau studiert“ zu haben. Trotz wiederholter Aufforderungen, sich ruhig zu verhalten, will er am dekadenten Prunk des gekünstelten Events teilhaben und so gelüstet es ihn bald nach Prostituierten. Diese soll Ingo auf Geheiß von Matthies organisieren.
Der Kontakt zur Halbwelt wird hergestellt und damit gerät die Situation außer Kontrolle. Wie man es schon aus „Bang Boom Bang“ kennt, jagt bald ein Krisenmanagement das nächste – das findet diesmal lediglich in einer anderen sozialen Schicht statt. Jeder aus der scheinheiligen Gesellschaft versucht, sein Gesicht zu wahren und irgendwie bestmöglich aus dem Schlamassel rauszukommen. Dabei reitet er sich doch nur immer tiefer rein. Der Standardspruch des fiktiven Actionhelden John Striker wird bald zum Motto für die verlogene High Society: „You can run – but you can’t hide“.
Zu Thorwarths größten Stärken – das ist seinen Fans bekannt – zählen die Dialoge sowie die absurd komischen Dilemmata, in die sich seine leicht holzschnittartigen, aber doch liebevoll gezeichneten Figuren immer wieder hineinmanövrieren. Ihn ob dieser Kombination als „deutschen Tarantino“ zu sehen, mag leicht vermessen sein, doch Anfang des Jahrtausends sah es aus, als könnte Thorwarth noch einiges bewegen. Leider wurde es nach „Goldene Zeiten“ zumindest in der Regie recht still um ihn.