Produkttest IKARUS Golfbälle: Der Preis-Leistungs-Hammer
Die Firma IKARUS will hoch hinaus: Ihre Golfbälle sollen dem Vergleich mit allen etablierten Topmarken standhalten, dabei aber deutlich günstiger sein. Gelingt dieses kühne Vorhaben oder verbrennt sich der Hersteller die Flügel?
Man mag es kaum glauben, aber die junge Münchner Firma IKARUS Golf bläst auf dem hart umkämpften Golfball-Markt zur Attacke und will sich mit dem Branchenprimus messen. Genauer gesagt hat man den Titleist Pro V1 und den Pro V1x im Visier. Und nicht nur das: Man möchte dabei auch noch günstiger sein als die Konkurrenz im Bereich des Direktvertriebs. Aber ist das tatsächlich möglich?
Bei den beiden von IKARUS angebotenen Modellen handelt sich um ein Drei- (Soft) und ein Vier-Lagen-Modell (Tour). Beide sollen im Grunde die identische Performance bieten wie die Spitzenmodelle anderer Topmarken wie Titleist, TaylorMade, Callaway oder Bridgestone.
Der signifikante Unterschied ist der Preis. Große Werbekampagnen gibt es nicht, ebenso wenig kostspielige Spielerverträge oder Ähnliches. All dies macht Bälle teuer, denn der aufgewendete Etat für die Werbung muss ja wieder reinkommen. Aufgrund des Direktvertriebs von IKARUS können die Bälle daher zu einem unschlagbar günstigen Preis angeboten werden.
Außerdem sind sie auf der Conforming List der R&A und USGA gelistet und können somit bedenkenlos in allen Wettspielen verwendet werden. Diesbezüglich ist bei Bällen aus dem Direktvertrieb immer Vorsicht geboten, denn das ist nicht immer der Fall. In Ligaspielen kann die Verwendung eines nicht gelisteten Balles zur Disqualifikation führen.
Der erste Eindruck
Ehrlich gesagt spiele ich seit Jahren den Titleist Pro V1 und bin natürlich skeptisch gegenüber wohlklingenden Versprechungen. Deswegen habe ich das Pendant der Firma IKARUS, den IKARUS Soft, einem persönlichen 1:1-Test zu meinem Pro V1 unterzogen. Genauso wie bei Schlägern kommt es mir auf meinen eigenen Eindruck an, bevor ich mir ein Urteil über das Material erlaube.
Jede Firma macht ihre Materialtests natürlich auch mit Robotern, um die Werte mit der Konkurrenz vergleichen zu können. Aber letztlich sind das nur Zahlen und am Ende stellt man fest, dass auch dort die Abweichungen zwischen den Werten der verschiedenen Premiumhersteller tatsächlich gering sind.
Optisch finde ich das Logo gelungen. Es ist nicht aufdringlich, wobei ich es persönlich etwas kleiner und „fetter“ machen würde. Darüber hinaus könnte die Nummer des Balles etwas größer sein, um ihn im Spielbetrieb leichter identifizieren zu können.
Haptisch sind Platzhirsch und Herausforderer ebenfalls nahezu identisch. Nimmt man beide Bälle mit verbundenen Augen gleichzeitig in die rechte und die linke Hand, werden die Allerwenigsten erkennen können, welcher Ball sich in der jeweiligen Hand befindet. Zu gering ist der Unterschied.
Das Feeling beim Putten
Da wir mit dem Putter die meisten Schläge auf der Runde machen, kommt es mir persönlich stark darauf an, wie der Touch am Ball ist. Hier konnte ich feststellen, dass der IKARUS Soft im Vergleich zum Pro V1 einen etwas helleren Klang hatte, was akustisch vermittelt, dass er im Treffmoment härter vom Blatt geht. Er hört sich ähnlich an wie der Pro V1x, ist mit diesem jedoch nicht zu vergleichen, da der Pro V1x nicht nur härter klingt, sondern auch tatsächlich härter ist.
Ich war daher anfangs geneigt, etwas weniger stark zu putten, was bei mir im Test bei den ersten fünf bis sechs Putts dazu führte, dass diese etwas kürzer blieben als mit dem Pro V1. Es zeigte sich jedoch, dass bei identischer Schwunggeschwindigkeit beim Putten auch identische Längen herauskamen. Nach wenigen Versuchen hatte ich mich darauf eingestellt und die Putt-Performance war identisch.
Chippen und Pitchen
Der Ball überzeugt durch ein ausgesprochen weiches Feeling im Kurzspielbereich. Man hat das Gefühlt, dass der Schläger angenehm durch den Ball geht und dieser sofort den gewünschten Spin annimmt. Das Flug-Roll-Verhältnis entsprach genau meinen Vorstellungen und ich konnte keinen spürbaren Unterschied zum Pro V1 wahrnehmen.
Beim Pitchen hat der Ball am Schlägerblatt sofort gegriffen und maximalen Spin erzeugt. Auch bei Lobshots, bei denen der Ball sofort steigen muss, ging er satt vom Blatt und blieb auf dem Punkt liegen. Trotz allem ist der Ball sehr widerstandsfähig und zeigt (auch nach drei Runden und einer Session auf der Pitching Area im Club) keinen besonderen Abrieb. Gerade in diesem Bereich punktet der IKARUS Soft daher für mich sehr ordentlich.
Auch im langen Spiel hervorragend
Beim langen Spiel konnte ich keinen wirklichen Unterschied zum Pro V1 feststellen. Der Ball hat einen angenehmen Touch und geht gut vom Blatt. Er erzeugt in diesem Bereich keinen klirrenden Klang, wie man es bei harten Bällen oft hört und spürt. Ich hatte mit dem IKARUS Soft bei den Eisen die gleichen Längen wie immer und keinen übermäßigen Roll nach der Landung auf dem Grün.
Mir persönlich kommt es bei den langen Schlägen nicht so sehr darauf an, ob der Drive oder der Transportschlag mit einem Holz oder Hybrid nun fünf Meter länger ist oder nicht. Diese Schläge dienen dazu, den Ball ins Spiel zu bringen und auf der Bahn zu halten. Längenangaben hierzu lassen sich einfacher anhand der Daten aus einem Robotertest ermitteln.
Relevant ist für mich am Ende, wie sich der Ball ab Entfernungen von 150 Metern abwärts bzw. beim Spiel in das Grün verhält. Dabei ist Zuverlässigkeit und Spinverhalten gefragt. Und gerade hier konnte mich der IKARUS Soft wirklich überzeugen, denn dem Vergleich zum Pro V1 hielt er absolut stand.
Persönliches Fazit: Klare Empfehlung
Nach meinem Empfinden ist der IKARUS Soft in jeder Hinsicht dem Titleist Pro V1 ebenbürtig. Nach drei Runden mit dem gleichen Ball konnte ich keinen merklichen Verschleiß feststellen, obwohl viele Schläge aus dem Nahbereich von 80 Metern und weniger mit einem neuen Lobwedge gemacht wurden. Der Ball hatte auch auf der dritten Runde noch den gleichen Biss wie auf der Ersten.
Eine klare Empfehlung, wenn man mit einem gut performenden Ball auf die Runde oder ins Wettspiel gehen und hierbei preislich deutlich sparen möchte. Sobald mein Bestand an Pro V1 zur Neige geht, werde ich mir einige Packungen IKARUS Soft ordern, denn im preislichen Vergleich zum Titleist Pro V1 kann man bereits bei einer Bestellung von vier Dutzend IKARUS Bällen 40 Prozent pro Ball sparen. Und man liegt damit sogar noch deutlich unter dem nächsten bereits etablierten Mitbewerber mit Direktvertrieb, den Bällen von Vice (Pro Plus).
Fotos: Jens Albrecht