Quo vadis, Jordan Spieth?
Wohl kaum ein Golfer hat die Höhen und Tiefen des Profi-Sports derart ausgelotet wie Jordan Spieth. Jetzt hat der „Golden Boy“ es geschafft, diese Wechselhaftigkeit in zwei Wochen zusammen zu pressen.
„Ich habe dieses Golf-Turnier ohne Putter gewonnen“, bilanzierte Jordan Spieth nach seinem Triumph bei der RBC Heritage. In der Tat hatte Spieth auf dem Putting Green mehrfach sehr unglücklich gewirkt. Flüchtigkeitsfehler und verschobene Putts aus wenigen Metern begleiten ihn schon über die gesamte Saison und darüber hinaus. Auf der anderen Seite zeigt der hochbegabte Golfer jedoch auch immer wieder Kabinettstückchen, welche Konkurrenz und Zuschauer staunend zurücklassen.
Spektakuläre Bunkerschläge und Eagles stehen den Ärgernissen gegenüber. Fast schon ironisch, dass Spieth das Stechen gegen Patrick Cantlay mit einem Par auf dem ersten Extra-Loch für sich entschied. Kein Geniestreich, kein Epic Fail – einfach ein solides Par. Würde es Spieth gelingen, seine Leistungsspitzen beizubehalten und seine Einbrüche zumindest mehrheitlich gegen solide Hausmannskost zu ersetzen, er wäre wohl an der Weltspitze.
Genau dort, wo er sich bereits befand. Schon während seiner Jugend in Texas wurde Spieth vorausgesagt, ein Golf-Wunderkind zu sein. Während seiner Zeit in der University of Texas gewann er 2009 und 2011 die U.S. Junior Amateur Championship. Es folgte der Wechsel ins Profilager, genauer gesagt in die PGA Tour. Mit nur 20 Jahren wurde er 2013 auf der John Deere Classic zum jüngsten Turniersieger seit 1931.
Es ging in der Folge nur bergauf: Presidents Cup, Rookie of the Year, Ryder Cup – keine Hürde schien zu hoch für den Senkrechtstarter. 2015 gewann er so viel Preisgeld wie kein Golfer vor und bislang auch keiner nach ihm. 2017 hatte er, grade mal Mitte 20, mit dem Masters, der US Open und der Open Championship bereits drei der vier Majors gewonnen. Doch die Liste komplett machen sollte er entgegen aller Erwartungen nicht.
Den besten Spieth haben wir noch gar nicht erlebt!
Denn so kometenhaft sein Aufstieg auch war, so rätselhaft folgte sein plötzliches Karrieretal. Ab 2017 gelang es ihm mit einem Mal ganze vier Jahre lang nicht mehr, ein Turnier für sich zu entscheiden. Über die Gründe für sein Tief wurde immer wieder diskutiert. Befreundete Golfer zeigten sich öffentlich besorgt und boten Spieth ihre Hilfe an.
Bis er sich im vergangenen Jahr plötzlich mit dem Sieg auf der Valero Texas Open zurück meldete. Ob das Geborgenheits-Gefühl in seinem Heimatstaat die entscheidenden Prozentpunkte ausgemacht hatte? Nun hat Spieth diese unbändigen Höhen und extremen Tiefen innerhalb von nur zwei Wochen durchlebt. Denn auf das enttäuschende Abschneiden beim Masters in Augusta folgte der Sieg bei der RBC Heritage – sein erster Turniersieg als Vater.
Wer weiß, vielleicht lässt das Glück über den eigenen Nachwuchs einen sensiblen Feingeist wie Spieth abgeklärter mit vermeintlich schweren Rückschlägen umgehen und diese schneller wegstecken. Unsere Prognose lautet: Den besten Jordan Spieth haben wir noch gar nicht zu sehen bekommen.
Foto: Getty Images