Welcher Golfer willst du sein? Gastbeitrag von Martin Schütt
Ebenso wie die Physis muss im Golfsport die Mentalität trainiert werden. Mit diversen Konzentrationsübungen arbeiten Golfer an ihrer Nervenstärke. Der Sportmentalcoach Martin Schütt setzt allerdings viel früher an. Denn nur wer sich entschieden hat, welcher Golfer er sein will, kann sein Training zielführend gestalten.
Wenn Sie mehr Spaß am Spiel und weniger Frust auf dem Platz haben wollen, gibt es in meinen Augen keine wichtigere Entscheidung als die, welcher Golfspieler Sie aktuell sein wollen. Wenn ich weiß, was für ein Golfer ich sein will, dann weiß ich auch, wie viel Zeit und Geld ich investieren muss, um dieses Ziel zu erreichen. Allein durch diese grundsätzliche Entscheidung kann ich meine innere Haltung zum Spiel ändern und auch die Frage klären, ob ich mit dem einen oder anderen Socket oder Hook leben kann (und muss) oder eher nicht.
Je tiefer ich mit meinem HCP im Golf kommen möchte, umso höher ist auch mein Trainingsaufwand. Was erst einmal logisch klingt, heißt aber nicht, dass es so auch von jedem verstanden wird. Um ein Beispiel zu nennen: Viele meiner Kursteilnehmer beklagen sich darüber, im Putten schlecht zu sein und zu viele 3-Putts zu spielen. Wenn ich dann frage, wie viel Zeit sie beispielsweise bei einem 60-minütigen Training ins Putten investieren, lautet die Antwort sehr häufig: 15 Minuten. An dieser Stelle wird jeder von Ihnen, der diese Zeilen liest, genauso den Kopf schütteln wie ich, denn 15 Minuten Putt-Training reichen natürlich bei weitem nicht aus, um effektiv eine Dreiputtschwäche zu verringern.
Grundsätzlich ist minimales Training, wenn man es so nennen will, absolut nicht verwerflich, denn für die meisten von uns ist Golf eben ein Freizeitsport und keine Kaderschmiede für die PGA-Profis von Morgen. Aber man muss sich dann auch darüber im Klaren sein, dass ein bescheidener Zeitaufwand und vor allem mangelnde Effizienz beim Training dem Sprung vom hohen zum tiefen HCP entgegenstehen. Vielen ist das leider nicht klar. Und wenn dann der HCP-Sprung nach unten nicht gelingt, kommt Frust ins Spiel und die Bereitschaft sinkt, überhaupt noch zu trainieren: „Es bringt ja doch nichts“, heißt es dann. Besonders dann, wenn Sie wenig Zeit haben, ist es wichtig, effizient zu trainieren und sich einen Plan zu machen, was konkret in der knappen Zeit trainiert werden soll. Mit dieser Überlegung haben Sie bereits mit einem wichtigen Teil des mentalen Trainings begonnen: der klassischen Vorbereitungsphase.
In einer Vorbereitungsphase wird das Training methodisch geplant
Während Ihrer Vorbereitung machen Sie sich vorher darüber Gedanken, was Sie konkret trainieren wollen und führen darüber im günstigsten Fall sogar ein Trainingshandbuch oder auf dem Smartphone eine Statistik-App, um Ihre Fortschritte zu verzeichnen. Allein durch Ihr planvolles Vorgehen und das konkrete Nachdenken darüber, was im Training geschehen soll und welche Ergebnisse Sie damit erzielen wollen, haben Sie die ersten wichtige Schritte in die Wege geleitet, um Ihrer Golfkarriere einen positiven Schub nach vorne zu geben.
Für einen Freizeit- und Wochenendgolfer mag ein Training ohne Plan und Kontrolle völlig in Ordnung sein, nur sollte Ihnen dann bewusst sein, dass Sie sich dafür entscheiden, Golf als Hobby zu betreiben und auch die entsprechenden Ergebnisse im Turnier abzuliefern. Das ist absolut in Ordnung, aber Sie sollten nicht frustriert sein, wenn der 3-Putt dann gelegentlich zu Ihrem Spielrepertoire gehört. Wer auch nur halb so gut wie ein Berufsgolfer (HCP 0) werden will, sollte mit circa 15 Stunden Training pro Woche rechnen und das unter kontinuierlicher Anleitung.
Sie verstehen wahrscheinlich, worauf ich hinauswill: Es knirscht an allen Ecken und Kanten, wenn Sie in gewissen Sphären mitspielen wollen, ohne in die entsprechende Trainingsleistung zu investieren. Bitte lassen Sie sich an dieser Stelle von meiner Rechnerei nicht erschüttern und auch nicht entmutigen. Machen Sie sich im Gegenzug nicht selbst klein! Wenn Sie mal in Relation setzen, wie viel Zeit und Geld ein Berufsgolfer in seine Karriere investiert und mit wie viel weniger Zeitaufwand, Ausrüstung und Unterricht Sie auskommen müssen, werden Sie feststellen, dass Sie so gerechnet ein verdammt gutes Golf spielen!
Auch solche Überlegungen gehören zur mentalen Stärke dazu:
Sich selbst richtig einschätzen und reflektieren
Nicht blind irgendwelchen Vorbildern hinterherrennen und vor allem sich nicht über sich selbst ärgern, weil man nicht das kann, was die anderen können. Mit der richtigen (und ehrlichen) Selbsteinschätzung werden sich für Ihr Spiel ganz neue Perspektiven öffnen.
Für Sie sollte das Hier und Jetzt eine Rolle spielen und nicht, was sein könnte, wenn Sie als Silberrücken der neue Bernhard Langer wären. Vorbilder sind toll und auch wünschenswert aber Sie können nicht der Mann oder die Frau werden, die Sie sich als Idealbild auserkoren haben, denn die gibt es schon. Fangen Sie stattdessen lieber an, Ihr eigenes Golfspiel positiv zu bewerten. Reflektion und vor allem eine realistische Selbsteinschätzung gehören zu den wichtigsten Bausteinen Ihrer mentalen Stärke, denn es ist Ihr Spiel und Sie sind für Ihre Vorbereitung und Ihr Training verantwortlich.
Zur Ehrlichkeit sich selbst gegenüber gehört, eine klare Entscheidung zu treffen, in welcher Kategorie man sich zu Hause fühlt und welcher Golfspieler man sein möchte. Denn erst wenn das klar ist, können Sie Ihr Spiel wirklich selbst spielen und auch Misserfolge auf dem Platz mit breiter Brust aushalten und aus ihnen lernen. Mir ist seit Jahren kein Golfer ohne einen Funken Ehrgeiz begegnet. Fast jeder von uns hat seine eigene HCP-Reise angetreten, nur darüber reden will keiner. Im Grunde möchte fast jeder heimlich besser werden, nur zugeben will es keiner, denn wenn man trotz Training und Übung keinen Schritt weiterkommt, könnten die anderen spotten und lachen. Wenn Sie wirklich vorankommen wollen, hilft Ihnen eine klare Entscheidung, welcher Golfer Sie sein wollen, ein großes Stück weiter:
Freizeitgolfer oder ambitionierter Turniergolfer, eines von den beiden sollte es schon sein. Denn so, wie Sie dann trainieren, werden Sie auch spielen. Entscheiden Sie sich und stehen Sie offen zu Ihrer Entscheidung, anstatt sich hinter höflichen Flunkereien als Deckmäntelchen zu verstecken. Selbstverständlich muss Ihre Entscheidung nicht bis in alle Ewigkeit gelten, denn das Leben ändert sich und damit auch die Golferkarriere. Vielleicht können Sie im Moment zeitlich nicht so viel investieren, wie Sie eigentlich möchten, weil Job, Haus und Familie einfach nicht mehr Termine auf dem Platz zulassen. Oder Sie haben als Freizeitgolfer Blut geleckt und Ihr Ehrgeiz packt Sie, weil Sie merken, dass da noch einiges geht. Dann ändern Sie eben Ihre Einstellung und dazu passend Ihr Training. Egal, wie Sie sich entscheiden: Stehen Sie auch dazu und golfen Sie nicht halbherzig!
Zum Abschluss möchte ich Ihnen eine kleine Übung zeigen, mit der Sie Ihre Entscheidungsfindung erleichtern können, wenn Sie unsicher sind, was Sie wollen. Sie stammt ursprünglich vom Autoren und Experten für emotionale Kommunikation Hans Uwe Köhler, die ich fürs Golfspiel leicht abgewandelt habe.
Versuchen Sie es und sprechen Sie folgende Sätze einfach mal laut aus. Wie klingt das für Sie? :
„Vielleicht spiele ich ganz gutes Golf“
„Es ist ganz gutes Golf, das ich spiele“
„Es ist gutes Golf, wie ich spiele“
„So wie ich Golf spiele, ist es gut“
Erkennen Sie die Unterschiede in den Sätzen und deren Wirkung auf Sie?
Jeder Satz beinhaltet eine Spielweise eines Spielers für sich, ohne erkennbares Handicap, aber mit einer deutlichen Einschätzung seines Spiels. Kein Satz ist in sich negativ, alle sind im Kern positiv.
In welchem Satz erkennen Sie sich wieder oder in welchem Satz würden Sie sich gerne sehen?
Treffen Sie eine Entscheidung und stehen Sie dazu!